"Berlin zu Gast in Oberursel" hieß es im Rathaus. Bundeskanzleramts-Chef Dr. Helge Braun (CDU), Bundesminister für besondere Aufgaben, erklärte auf Einladung der Oberurseler Christdemokraten, dass sich hinter dieser Bezeichnung zumeist Probleme verbergen, mit welchem Kniff er streitende Minister zur Räson bringt und warum das Klimaschutzpaket "kein Sammelsurium" sei.
VON MANUELA REIMER


Der Bundesminister für Probleme
Oberursel Kanzleramts-Chef Helge Braun erklärt, warum sein Amt wenig glamourös und das Klimapaket ein rundes Konzept ist

Foto: Manuela Reimer

Prof. Dr. Helge Braun ist als Kanzleramts-Chef so etwas wie der Manager der Bundesregierung.
Im Oberurseler Rathaus plauderte er ein wenig aus dem Nähkästchen - und warb für den Klimapakt.

Wenn Berlin zu Gast in Oberursel ist, dann können Flug und Stau schon mal zu einer Verspätung führen, so auch als Bundeskanzleramts-Chef Professor Dr. Helge Braun (CDU), Bundesminister für besondere Aufgaben, den Weg in die Brunnenstadt antrat. Eingeladen hatten die Oberurseler Christdemokraten, die sich denn auch freuten, dass von den rund 50 Gästen, die sich im Sitzungssaal des Rathauses eingefunden hatten, keiner in der 60-minütigen Wartezeit den Heimweg antrat.
Die Stunde mit Empfangshäppchen und Sekt zu überbrücken hatte sich gelohnt, als der Kanzleramtschef zum Vortrag anhob: Ebenso unterhaltsam wie versiert plauderte der gebürtige Gießener aus dem Nähkästchen des Berliner Polit-Alltags.
Er spannte den Bogen von den internationalen Handelsbeziehungen über die Digitalisierung bis hin zum Klimaschutz. Es ging um die große Politik, aber nicht nur - die Orscheler erfuhren auch, mit welchem Kniff der 46 Jahre alte promovierte Humanmediziner dickköpfige Minister zur Räson bringt: Braun sprach von einer Art "herabgeregneter Richtlinienkompetenz" der Kanzlerin. "Der Chef des Bundeskanzleramts bestimmt die Tagesordnung des Kabinetts. Wenn zwei Minister sich streiten, muss ich das Problem lösen. Ich setze den Punkt dann einfach nicht auf die Tagesordnung." Die Möglichkeit einer Beantragung bestehe nämlich nicht. Generell habe sich schnell herauskristallisiert, was hinter den "besonderen Aufgaben" stecke: "Das ist nur eine freundliche Umschreibung für Probleme. Ich bin der Bundesminister für Probleme." Am 14. März 2018 wurde Braun zum Bundesminister ernannt, seitdem ist er Chef des Kanzleramts.
Zwei Rechtschreibfehler
Damit ist der Christdemokrat "Chefmanager unserer Regierung", wie es CDU-Hochtaunus-Urgestein, Landtagsmitglied und Ex-Landesminister und Ex-Landrat Jürgen Banzer (CDU) formulierte. Dieser Posten ist nicht immer so glamourös, wie er sich anhört: "Als wir bis in den Morgen zum Klimaschutzpaket getagt haben, war ich derjenige, der währenddessen die Änderungen in das Dokument eingepflegt hat. Was das für ein Gefühl ist zu wissen, dass dieses Papier eine halbe Stunde später in die ganze Welt geschickt wird . . .", erzählte Braun. Zwei Rechtschreibfehler, glücklicherweise nur zwei, hätten sich im Nachgang gefunden.
Stichwort Klimaschutzpaket: Das sogenannte Klimaschutzprogramm 2030, das die große Koalition verabschiedet hat, sei "ein sehr rundes Konzept, kein Sammelsurium", verteidigte Braun das Ergebnis der Nachtschicht, das unter anderen die Grünen kritisiert hatten. "Das Paket muss man jetzt so vertreten. Gesellschaftliche Akzeptanz ist sehr wichtig", meinte der Bundesminister. Zentraler Mechanismus des Pakets, so Braun, sei, dass fossile Energieträger in den kommenden Jahren teurer würden, "und zwar deutlich". "Im Gegenzug machen wir den Strom billiger. Eine Wärmepumpe lohnt sich dann schneller im Vergleich zur Ölheizung, auch ein Elektroauto lohnt sich schneller."
Die Bundesregierung wolle niemanden "bestrafen, der sich vor drei Jahren ein neues Auto und vor fünf Jahren eine neue Heizung gekauft hat". Aber der Umstieg von fossil auf Elektro werde sich lohnen, versprach Braun.
Epochale Veränderung
Er sei sehr besorgt, wie viele Menschen es in Deutschland gäbe, die sich fragten, ob das mit dem Klimaschutz Sinn ergebe. "Was wir jetzt an Wetterphänomenen sehen, ist eine epochale Veränderung, die es weltgeschichtlich so noch nicht gegeben hat", betonte der Politiker. Und die führenden Ökonomen seien sich weltweit einig: "Den Klimawandel zuzulassen und sich anzupassen, wäre unter allen Umständen teurer, als ihn abzumildern."
Genau aus diesem Grund gebe es in mehreren chinesischen Provinzen die Kohlendioxid-Bepreisung, die das neue Klimaschutzprogramm auch hierzulande vorsehe. "Dass nur wir was machen und der Rest der Welt ohnehin nicht, das stimmt nicht." Darüber hinaus sei der CO2-Ausstoß der Deutschen pro Kopf gerechnet überproportional hoch, mahnte Braun.
Fest stehe allerdings: Der Klimawandel sei "nicht durch Verzicht zu bewältigen, nur durch Ingenieursleistung", betonte er. So sieht das Paket nicht nur eine Stärkung der Bahn vor - unter anderem über den planungsbeschleunigten Netzausbau und günstigeres, attraktiveres Zugfahren -, sondern auch deutliche Verbesserungen bei den Elektroautos, und zwar in puncto Preis, Reichweite und Lademöglichkeiten, führte der Minister aus, der versprach: "Da sind wir dran."

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